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Thesen zur Kreuzestheologie


1. Gott bedarf keines – auch nicht eines freiwilligen – Opfers zur Versöhnung und Befriedung seiner Beziehung zum Menschen.

2. Seine unbedingte Liebe, welche Jesus von Nazareth verkündete, bedarf keiner Ergänzung und soll von uns endlich ernstgenommen werden.

3. Jesus musste sterben, weil er religiös und politisch unbequem wurde. Er hätte genauso gut sein Leben als Prediger zu Ende leben können – das wäre allerdings angesichts der Gewalttätigkeit der anthropologischen Strukturen dieser Welt sehr unwahrscheinlich gewesen –, das hätte seiner Botschaft von Gottes Liebe prinzipiell keinen Abbruch getan.

4. Statt der Sendung des präexistenten Sohnes Gottes kann das Christus-Geschehen auch als die Identifikation Gottes mit dem Menschen Jesus verstanden werden, durch welche Jesus zum Christus wird. (Adoptianismus)

5. Der Kreuzestod Jesu Christi wird gerade durch die Identifikation Gottes mit Jesus (Offenbarung) zum zentralen Kriterium des christlichen Glaubens, demonstriert doch die Haltung des/der Gläubigen zum Gekreuzigten immer zugleich seine/ihre Beziehung zu Gott.

6. Die Haltung, welche Gott, der bedingungslose Liebe ist, vom Menschen an dieser Stelle erwartet, ist die eines mündigen, verantwortungsvollen und liebenden Subjekts, welches in Namen der Liebe gegen diesen Tod protestiert und ggf. auch auf seine vermeintlich durch diesen Tod erlangte Seligkeit zu verzichten bereit ist.

7. Damit würde der Mensch das nachahmen, was Jesus vorgelebt hat: den bedingungslosen Glauben an die Liebe, mit dem er das vorherrschende Gottesbild radikal hinterfragt, so dass er zum Gotteslästerer erklärt wird.

8. Indem sich Gott mit dem zum Tode verurteilten Gotteslästerer Jesus identifiziert, gibt er ihm und dem von ihm verkündeten Gottesbild recht.

9. Indem sich Gott mit dem zum Tode verurteilten Gotteslästerer Jesus identifiziert, autorisiert er das durch Jesus verkörperte Menschenbild (siehe Punkt 6) zu einem verbindlichen anthropologischen Paradigma.

10. Damit offenbart sich unser Gott als derjenige, welcher den Menschen zum Protest herausfordert, um seine Mündigkeit der Liebe zu stiften. Die Größe dieses Gottes besteht darin, dass er im Menschen einen mündigen Partner auf Augenhöhe haben möchte, der auch einer kritischen Freiheit von ihm fähig ist.

11. Angesichts dieser Ausführungen stellt sich uns dennoch weiterhin die Frage, ob das „für uns bzw. unsere Sünden gestorben“ von einer anderen als mythischen oder historischen Bedeutung ist, und worin nun diese symbolisch-anthropologische d.h. theologische Bedeutung des Kreuzes besteht.

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