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Woran ich derzeit arbeite

Ideenskizze zu meinem Habilitationsprojekt:


„to theion“ – die Wiederentdeckung der Göttlichkeit.

Untersuchungen zu einem postmetaphysischen Gottesbegriff.



„Ich möchte theologie schreiben

die so über das fehlende spricht

daß es vermißt wird

und anwesend“

(D. Sölle)


   Für viele Menschen, selbst für Christinnen und Christen, sind traditionelle Gottesvorstellungen fraglich oder sinnlos geworden. Das Wort „Gott“ scheint zu einer leeren Chiffre zu verkommen, die man entweder meidet oder als kindliches Wunschdenken entlarvt. Ist der Gottesbegriff so überfrachtet, verschmutzt, misshandelt worden, dass er heute abgenutzt, diffus und schließlich irrelevant geworden ist? Dies ist religionsgeschichtlich betrachtet jedoch kein Novum. Jede neue Epoche in der Geschichte des Glaubens, jede neue Begegnung mit einer anderen Kultur, jede religiöse Neukontextualisierung gestaltete sich immer auch und vor allem als eine Sprachsuche – ausgelöst durch das empfundene Unvermögen, sich gegenüber einer fremden Denk- und Sichtweise verständlich und überzeugend zu artikulieren. So stellten beispielsweise die Gleichnisse Jesu, die philosophische Ausdrucksweise der Apologeten, die Sprachschöpfungen Martin Luthers oder der existenzielle Duktus der dialektischen Theologie solche Mittel und zugleich Ergebnisse einer semantischen Gottessuche dar, eines Ringens um die gefährdete und zu rettende Göttlichkeit.

   Dass diesem Ringen ein religionskritischer Charakter eignete und es also immer mit dem Blasphemie-Verdacht einherging, erwies sich bei genauem z.T. retrospektivem Besehen als folgerichtig. Es scheint sich um eine dialektische Bewegung zwischen Karikatur und Portrait zu handeln. Das, was man früher für ein Portrait Gottes gehalten hat, erwies sich als Karikatur – und umgekehrt. Die befürchteten Abstriche und Reduktionen erwiesen sich dank der theologischen Plausibilisierung ihrer VordenkerInnen im Gegenteil als ein Zugewinn an Gottes Göttlichkeit und im Endeffekt als ein lohnendes Risiko der notwendigen Abschiede.

Diese Entwicklungstendenz kann auch innerhalb der christlichen Theologie evangelischer Prägung wahrgenommen werden. Ihr Spezifikum, d.h. das Prinzip, nach dem sich die evangelische Suche nach der Göttlichkeit Gottes vollzieht, ist meiner Ansicht nach inspiriert durch die jüdische Prophetie und endgültig angestoßen und ausrichtend festgelegt durch die Botschaft Jesu. Es ist das Prinzip der Menschwerdung Gottes, im Zuge dessen sich das theologische Ringen um Gott vor allem als ein mutiger Verzicht auf diejenigen Deutungsmuster darstellt, welche die entmenschlichenden Machtstrukturen begünstigen.

   Nun scheint es wieder längst an der Zeit – und unzählige theologische wie außertheologische Stimme legen es uns nah –, sich angesichts der sich verändernden Welt wieder einmal auf eine neue Suche nach der Göttlichkeit Gottes zu begeben, neue Abschiede und neue Festlegungen zu wagen, um Gott in seiner Relevanz nicht dem Verstummen bzw. dem Missbrauch zu überlassen. Hier möchte auch ich mit einstimmen, mich an dem gemeinsamen Entwurf eines neuen zukunftsfähigen Gottesbildes nach Kräften zu beteiligen. Das geht nicht ohne einen dialogischen Austausch mit einigen WeggefährtInnen. Zurzeit ist es u.a. der postmetaphysische Ansatz des Hartmut von Sass, der von Gott sprechen möchte, ohne in die metaphysischen Denkmuster zurück zu fallen und deswegen ein radikales Gleichheitszeichen zwischen Gott und seiner Offenbarung zieht. Wie es dann um die Identifizierung bzw. Zuschreibbarkeit des Ereigneten zum Gottesbegriff steht, ist meine kritische Anfrage an von Sass. Lapidar gefragt: Woher weiß ich dann, dass es sich um die Offenbarung Gottes handelt, wenn ich keine anderen Anhaltspunkte als eben dieses Geschehen habe? Auch ist es der existenztheologische Ansatz von Gotthold Hasenhüttl, der im Anschluss an das antike „theion“ Gott als ein Beziehungsgeschehen charakterisiert. Inwiefern man aber im Zuge dessen auf den personalen Subjektcharakter Gottes verzichten kann oder muss, muss hier untersucht werden.

   Gleichwohl sind für mich diejenigen Denkansätze von großer Relevanz, welche für eine postmetaphysische Entsubstanzialisierung Gottes plädieren – sei es in ihrer Verortung Gottes im Bereich der Potentialität, Qualität oder der Sublimierung im Sinne der radikalen Vergeistigung. Interessanter Weise lassen alle mir bisher bekannten Neuansätze die Christologie vermissen. Diese Tatsache halte ich für besonders klärungsbedürftig.

   Hierzu kommen die philosophischen Neuansätze, die den theologischen Neubemühungen begünstigend entgegenkommen, indem sie neue ontologische sowie anthropologische Prämissen anklingen lassen. So zum Beispiel Marcel Gabriel mit seinem fiktionalen Realismus und der Sinnfeldontologie, oder Hartmut Rosa mit seiner Wiederentdeckung von Resonanz und Unverfügbarkeit. Auch die alarmierende soziologisch-anthropologische Analyse von Eva Illouz oder Byun-Chul Han halte ich in diesem Zusammenhang für überaus bedeutend.


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